Berlin, Deutschland (Gastrosofie). Ayran. Döner. Beides vermutet man eher in der Kebab-Bude um die Ecke als in einem Sterne-Lokal. Doch genau dort wurden die beiden Klassiker serviert. Und zwar im „Faelt“. Ayran, der salzige Joghurt-Drink, hier gefroren. Ein Eis, sehr eigenwillig. Klein, fein und so herrlich pikant wie der völlig vegane Döner, ein Mini-Kunstwerk aus Sellerie und gepickeltem Gemüse. Zwei originelle Snacks. „A short stop at the Kebab Store“, so die witzige Bezeichnung auf der Speisekarte.
Zugleich ein fulminanter Start im „Faelt“ in Berlin-Schöneberg. „It’s finally spring, baby“, so nennt sich das Sieben-Gänge-Menü von Patryk Döring. Mit seinem Debüt vereint der neue Küchenchef ehrliche Küche mit vollendeter Handwerkskunst. Und interpretiert dabei so manchen Klassiker neu, und das sehr kreativ.
Seit gut fünf Jahren existiert das Lokal im Schöneberger Akazienkiez. Der zählt inzwischen zu den etwas betuchteren Ecken in dem multikulturellen und toleranten Bezirk. Schon vor dem Krieg war Schöneberg die Heimat der LGBTQ+-Community. Und später von so manchem Star. David Bowie wohnte einst gleich um die Ecke.

Zu den typischen Altbauten hier zählt auch das denkmalgeschützte Eckgebäude von 1903, in dem sich das „Faelt“ befindet. Außen pure Gründerzeit, drinnen zeitloser Minimalismus. Offene Showküche, violett gestrichene und rot geziegelte Wände. Tische aus dunklem Holz. Keine weißen Decken, keine Kerzen, keine Blumen. Und schon gar kein Dresscode, wie auch sonst in Berlin. Alles sehr reduziert. Stilvoll, aber nicht steif, so geht es im „Faelt“ zu. Gut 20 Gäste passen in das kleine Lokal.

Hier zählt eben das Wesentliche, auch auf den Tellern. Mit dem neuen Küchenchef beginnt nun eine neue Ära. Patryk Döring will an das hohe Sterne-Niveau anknüpfen, aber auch mit Neuerungen überraschen. Schwerpunkt sind nun wieder, wie ganz zu Beginn, vegetarische Gerichte, wie Inhaber Björn Swanson erklärt. Fleisch-Fans kommen dennoch nicht zu kurz: beim Hauptgang ist auch eine Variante mit Lamm möglich.

Saisonal und regional, das gilt auch im Faelt. So kommt man auch hier an dem obligatorischen Spargel nicht vorbei. Ein Klassiker, beliebt, gesund, bekömmlich, aber nicht unbedingt aufregend. Doch hier verwandelt die Küche das Gemüse in einen kulinarischen Rockstar. Dank einer pikanten Soße, auf der Karte fast sarkastisch als „Chinapfanne“ verzeichnet. China passt ohnehin nicht so ganz. Ähneln die Aromen doch eher einer thailändischen „Tom Yam“, der berühmten sauer-scharfen-Suppe, wie der freundliche Mitarbeiter erklärt. Köstlich und mit einer sehr gut dosierten Schärfe. Das Gemüse wurde in Butter gegart und anschließend gegrillt. Ein absoluter Höhepunkt.

Sehr gelungen auch die „Economy Class Carbonara“. Die Nudeln sind auffallend knackig, statt Teig wurde hauchdünner Sellerie für die Pasta verwendet. Die Soße wurde hingegen ganz klassisch und fein gewürzt zubereitet. Economy? Eher First Class. So auch die „Fake Forelle“ nach Hausfrauenart. Tatsächlich völlig fischfrei, man wagt es kaum zu glauben. Oder gar zu schmecken. Abgeflämmte Gurke sorgt hier für die typischen Röstaromen.



Sehr kreativ geht es weiter, mit Focacchia und Stilton, genau genommen Stilton-Sirup. So widersprüchlich wie ein rundes Quadrat. Ist doch Stilton, der englische Blauschimmelkäse, berühmt wie berüchtigt für seinen strenges Aroma. Im Faelt wurde aus ihm eine Art Süßspeise. Waren da kulinarische Magier am Werk? Das Geheimnis: der Käse wurde in Zucker eingekocht. Geschmacklich einfach unbeschreiblich, aber auf jeden Fall ein Genuss. So wie das Leipziger Allerlei. Nicht zerkocht, sondern herrlich bissfest, und kunstvoll auf dem Teller drapiert. Reduziert, fast zen-artig. Wie stand es doch auf der Karte? Leipziger Allerlei für Hipster.
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