Berlin, Deutschland (Gastrosofie). Wenn einer einer kulinarische Reise tut, dann kann er was erleben, essen und erzählen. Ingeborg Scholz muss an der Mosel gewesen sein, denn sie erinnert in ihrem mit 60 Fotos ordentlich bebilderten und 127 Seiten umfassenden Buch „Genussgeschichten von der Mosel“ an die bemerkenswerte Ess- und Trinkkultur auf beiden Seiten dieses über Jahrhunderte durch und durch deutschen Flusses, der ein Fluss der Franken war, der in den Vogesen entspringt und am Deutschen Eck, einer künstlich aufgeschüttete Landzunge in Koblenz, in den Rhein mündet.
Der Fluss hat die Moselaner geprägt, die längst in drei Staaten leben. Anders als in deutschen Landen wird die Mosel als völkerverbindender Fluss im hochdeutschen Ausbaudialekt Luxemburgisch Musel genannt und auf Französisch Moselle.
Gaumenfreuden und Tischsitten sind an der wunderschönen Mosel so manche zu finden, vor allem aber eine reichhaltige „Kulturgeschichte des Essens und Trinkens“, wie die Autorin notiert (S. 4). Sie beginnt rund 400 Jahre vor unserer Zeitrechnung bei den Treverern und anderen ketlischen Stämmen. In chronologischer Reihenfolge kommen danach die Kapitel „Die Römer“, „Das Mittelalter“, „Die Frühe Neuzeit“, „Das 19. Jahrhundert“ und „Das 20. Jahrhundert“.
Das eine oder andere überlieferte Rezepte ist zum Nachkochen in Zutaten und Zubereitung auch dabei, denn die Autorin nimmt den Leser auch mit auf einen kulinarischen Reise durch zweieinhalb Jahrtausende.
Die Rezepte im Buch tragen die Namen „Keltische Eintopf“, „Conditum – Römischer Würzwein, „Deppekooche/Scholes“, „Kalte Ente“, Baa Stanislas – Ein feines Dessert“, „Weincreme“, „Walnuss-Kekse“, „Gräwes“, „Tresterfleisch“ und „Engelporter Pudding“ sind der Punkt auf dem i dieses Buches über die Heimat der Moselaner.
Eine Heimat übrigens, die „mit dem Massentourismus“ laut Scholz „den Niedergang der Moselgastronomie“ erlebte (S. 115). „Busladungen voller Ausflügler, Sonderzüge voller Kegelbrüder und -schwestern fielen ab den 1960-Jahren in die Moselort ein. Der anspruch richtete sich mehr auf die Quantität denn auf die Qualität von Essen und Trinken.“
Hinzu kam in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts der Glykolwein-Skandal, doch „Ende der 1980er-Jahre gab es Weinschänken, die das altdeutsche Mobiliar entsorgten und ein neues, landestypisches Ambiente schufen, mit schlicht abgebeizten Holztischen vom Trödel und Deko aus Schiefer und knorrigem Rebholz. Der Wein wurde nun in puristische, langstielige Gläser eingeschenkt, zu essen gab es dazu eingelegten Weinkäs, ‚Gerufpten‘ (Frischkäse mit ordentlich Knoblauch) oder Rieslingsuppe“, schreibt Scholz.
Gut zu lesen, dass hier und dort an der Mosel „die entfesselte Kreativität der Landfrauen und Köche … keine Grenzen“ kenne und sich „um die nachhaltige Sicherung unserer Ressourcen … Biowinzer“ bemühten, „aber auch Imker, Jäger und engagierte Vordenker“.
Für Gastrosofen sind sowohl die Aussichten als auch die „Genussgeschichten von der Mosel“ von Ingeborg Scholz ein Gewinn.
Bibliographische Angaben
Ingeborg Scholz, Genussgeschichten von der Mosel, Eine kulinarische Reise durch zweieinhalb Jahrtausende, 128 Seiten, ca. 60 Abbildungen, Format 17,0 x 24,0 cm, fester Einband, Sutton Verlag, Erfurt, 22.5.2019, ISBN: 978-3-96303-009-3, Preis: 19,99 EUR (D)