Frankfurt am Main, Deutschland (Gastrosofie). Der Sieger des ersten Frankfurter Wasserhäuschenwettbewerbes hieß Büdchenbesitzer Pierre Skolik mit seinem Seckbacher „Snack FM“. „Ich kenne die Bude schon seit 20 Jahren“, sagt er. Doch seit einem Jahr, seit er das Wasserhäuschen übernommen hat, weht ein frischer Wind. Die Büdchen-Besucher haben aus Dankbarkeit die Siegesfeier mit vorbereitet. „Er ist charmant und kümmert sich um seine Kunden wie ein Vater, und der Treffpunkt ist gepflegt und ordentlich.“ Alle finden es gut, dass durch das Wasserhäuschen wieder mehr Leben in die Siedlung gekommen ist. Nachbarn, Familien, Studenten und Rentner treffen sich dort zu einem Plausch. Der einzige Wehrmutstropfen an diesem Tag war, dass die Eintracht gegen die Bayern verloren hatte. So und nicht anders stand es in der „Fankfurter Rundschau“.
Welches Frankfurter Wasserhäuschen die längste Theke hat, die größte Fruchtgummiauswahl, den größten Kinderspaßfaktor und wie es um das Eintrachtfieber bestellt ist, Auskunft darüber gibt das Frankfurter Wasserhäuschen-Quartett in 32 aufschlussreichen Karten, ein kleiner Häuschenführer zum Mitnehmen, ein Spiel für alle von 6 bis 99, ein Geschenk für Ex-Frankfurter. Drei Kenner der Büdchen-Szene habe das initiiert und ihr ein Denkmal gesetzt, der Photograph und Journalist Hubert Gloss, der sich seit 1991 am längsten mit dem Thema beschäftigt, an der Volkshochschule doziert und eine Führung zu den schönsten Wasserhäuschen mit dem Fahrrad oder der Bahn veranstaltet, Oliver Kirst, der sogar vor 10 Jahren seine Diplomarbeit über dieses Thema schrieb, und dem Photographen Boris Born, der das Design des Quartetts übernommen hat. Für sie ist es die Keimzelle städtischen Lebens und gelebte städtische Kultur, da steht der Anzugträger ebenso wie der Handwerker.
Wie lange ist die Theke? Das Spektrum der 32 Budchen im Quartett reicht von 2,61 Metern in der Trinkhalle Merz in der Seckbacher Landstraße bis zu 14,60 Metern bei Dimitris Wasserhäuschen am Kurfürstenplatz. Die meisten Sorten Fruchtgummi hat der Einkaufskiosk Mozkurt im Harheimer Weg, 37 nämlich, die wenigsten gibt’s beim Imbiss Lang in der Deutschordenstraße, nämlich vier. Dagegen ist der Kiosk Morkan in der Espenstraße das Schlusslicht bei der Bierauswahl (vier Sorten), während es im Cassella-Eck in der Cassellastraße die Auswahl aus 31 Sorten gibt. Die Öffnungszeiten in Stunden pro Woche haben die drei Quartettmacher ebenso herausgefunden wie die Eintrachtfieberkurve. Eine weitere Wertung ist der „Kinderspaßfaktor“. „Es ist nicht nur subjektiv. Wir haben nicht nur die Zahl der Fruchtgummisorten betrachtet, sondern auch die Frage, ob es Wassereis gibt und vor allem, wie geduldig der Betreiber mit Kindern ist.“ Wenn zehn Cent vom Taschengeld für etwas Süßes ausgegeben werden und die Entscheidung zwischen verschiedenen Bonbons schwer fällt, kann es eben etwas dauern, bis eine Kaufentscheidung gefallen ist. Die Auswahl und Präsentation von Kinderzeitschriften spielt ebenfalls eine Rolle. So stand es in „Frankfurter Neue Presse“.
Die Trinkhallen können auch Sponsoren gebrauchen. In den vergangenen 40 Jahren sank die Zahl der Frankfurter Wasserhäuschen auf etwa ein Drittel, derzeit rund 200. Die Konkurrenz von Supermärkten und Tankstellen macht ihnen schwer zu schaffen. Zum Erhalt der einstigen Kultur rufen sie auf, Wasserhäuschen zu besuchen, eine Packung Zigaretten oder eine Flasche Bier oder zehn Gummibärchen zu kaufen. Das Wasserhäuschen-Quartett ist der derzeit kleinste Wasserhäuschenführer Frankfurts, um die Vielfalt städtischen Lebens zu unterstützen.
Mancher hat gute Kindheitserinnerungen an die gemischte Tüte, an den Pricklpit oder die Nappos, die Plombenzieher, an die Süßigkeiten als Pfennigartikel. Es ist ein niedrigschwelliger Kommunikationsraum, ein probates Mittel gegen Einsamkeit, ein begehbarer Lottoschalter, eine Freiluftbar für Stehbiertrinker, zwar auch als Treffpunkt der Säufer verschrien. Die Pächter sind zwar inzwischen selten Deutsche, da durch die Daueranwesenheit die Familienstruktur besser zu Ausländern passt und diese sich abwechseln können. Es gibt Kioske, Trinkhallen zwar auch in anderen Städten wie Berlin oder Dortmund, London als Speakers Corner. Aber in Frankfurt gibt es bei weitem am meisten Kioske. Sie sind typisch für Frankfurt ähnlich wie Grüne Sauce (Grien Sooß), Frankfurter Äppelwoin und die Apfelweinwirtschaften und das Frankfurter Würstchen. Es gibt halt eine gewachsene Kultur unterhalb des Bankenviertels, des Römers, Palmengartens, der Museen und des Museumsufers oder der alten Oper, und diese soll erhalten bleiben.
Die Geburtsstunde lässt sich auf ca. 1870 datieren, als wenige Jahre zuvor in Frankfurt die Produktion von Sodawasser begonnen hatte, da Wasser ungereinigt und giftig war, und die Arbeiter Bier tranken. Um dieses einer breiten Bevölkerung zur Verfügung zu stellen, förderten die städtischen Behörden den Bau von Trinkhallen, um die Arbeiter von der Trunksucht abzuhalten, deswegen im Volksmund die Wasserhäuschen. Im Laufe der Zeit erweiterte sich das Angebot, Schokolade, Tabak, Zeitungen, belegte Brötchen und evtl. eine Espressobar. Früher hießen sie Jöst-Kioske, als die Firma Jöst die Kioske sponserte. Manche sind in den Häuserzeilen untergebracht, aber viele sind alleinstehend, in typisch rundlicher Form.
Das Frankfurter Wasserhäuschen-Quartett ist erhältlich an vielen Wasserhäuschen für 7,90 plus 1,60 Porto oder online unter . Das Spiel ist allen ehemaligen und noch existierenden Wasserhäuschen, deren Betreibern und Kunden mit all ihren liebenswerten und individuellen Charakteren gewidmet. Die Kategorien der Wertung sind: Betreiber vor Ort seit …, Fruchtgummivariationen, Biersorten, Sprechzeiten pro Woche, Kinderspaßfaktor, Thekenlänge und Eintrachtfieberkurve.