Frankfurt am Main, Deutschland (Gastrosofie). Sachsenhausen. Das bedeutet Äppelwoi, Fachwerk, und inzwischen auch etwas New York. Und das mit reichlich Nostalgie.
Im Florentinischen Viertel des beliebten Frankfurter Stadtteils ragt seit 2001 ein 88 Meter hoher markanter Koloss in den Himmel. Aus dunkelroten Ziegeln, im Art-Déco-Stil. Star-Architekt Hans Kollhoff bereicherte Frankfurts Skyline mit einem Stück Architektur, die an den „Big Apple“ der 20er und 30er Jahre erinnert. Genau das ist auch das Konzept von „Lindner Hotel und Residence Main Plaza“, das mit einem „Vier-Sterne-Superior“-Haus das Gebäude bezogen hat. Die bis zu 114 Quadratmeter großen, komfortablen Zimmer bieten in den oberen Stockwerken einen atemberaubenden Blick auf ein Meer aus Glas, Stahl und Beton. Keinesfalls beschränkt sich das New-York-Konzept auf die Architektur, es wird auch so gegessen und getrunken. In Harry‘ s New York Bar wie auch im Restaurant kann man dabei eine regelrechte Zeitreise antreten. Nostalgische Schwarz-Weiß-Poster im „New Brick“ erinnern an vergangene Pracht in Zeiten des Elends, der Weltwirtschaftskrise und Prohibition. So wie das Singer Building, fast mehr Kunstwerk als bloßer Wolkenkratzer, 1968 wurde es abgerissen.
Die meisten abgebildeten Bauwerke sind verschwunden, so manches Gericht auf der Speisekarte dürfte sie als zeitloser Klassiker überdauert haben. Als „klassisch“ wird auf der Karte auch das Reubensandwich bezeichnet, mit Pastrami, Sauerkraut und pikanter Mayonnaise samt Beilagensalat. Hier nicht ganz uramerikanisch, wurde doch klassisches deutsches Sauerteigbrot in Butter angeröstet, Zudem fällt der Pastrami-Belag mit einer Scheibe auch etwas bescheidener aus als die Fleisch-Stapel jenseits des Atlantiks, handelt es sich hierbei doch um eine Vorspeise. Das Sauerkraut wurde mit einer Cocktailsoße verfeinert, dazu wurde Mayonnaise mit Ketchup und Tabasco veredelt. Eine pikante Spezialität, wie sie seit Jahrzehnten in den berühmten New Yorker Deli-Gaststätten wie „Katz’s Delicatessen“ serviert wird. Selbst ein Mitarbeiter aus dem US-Konsulat soll sich davon überzeugt gezeigt haben.
Fleischig geht es beim Hauptgang weiter. 180 GOP Rinderfilet mit Kräuterbutter, grünem Spargel und Kartoffelgratin. GOP steht für „Great Omaha Packers“, einem Zusammenschluss von Farmern aus dem Mittleren Westen. Das Fleisch saftig und zart, sei zwar nicht biozertifiziert, aber dennoch sehr hochwertig, so Küchenchef Johannes Hanspach. Kein Genmais als Futter, keine Hormone, keine Medikamente für die Aufzucht. Dafür reichlich Auslauf für die mutmaßlich zufriedenen Rinder. Er spricht von „sehr sicherem Fleisch“ mit einer ausgeprägten Marmorierung, das qualitativ eine Stufe hinter dem Wagyu-Rind stehe. Ein 2015er Merlot, aus dem chilenischen Weingut Montes, rund und fruchtig, begleitet das Ganze. Die Beilagen überzeugten ebenfalls. Ein Gratin gilt nicht unbedingt als Schonkost, doch hier fiel es ungewöhnlich leicht aus, reichlich Kartoffeln, etwas Sahne, angenehm gewürzt. Keine Eier, kein Mehl. Er wolle möglichst allergenfrei kochen, so Johannes Hanspach. Angenehm knackig mundet der grüne Spargel, er stammt aus dem Frankfurter Umland. Dieses Gericht sei in Amerika ein Klassiker, so der Küchenchef. Da bleibt kaum Platz für den Nachtisch, Käsekuchen mit Beerensoße und Oreo-Streusel. Eine interessante Neuinterpretation des amerikanischen Cheesecake, einer hierzulande eher umstrittenen Kalorienbombe. Zu schwer, zu viel, zu süß, hätten auch schon manche Gäste moniert. Mit dieser Version dürften auch Kalorien-Zähler zufrieden sein. Drei weiße Scheiben einer Käsekuchenmasse, aus Philadelphia-Frischkäse und weißer Schokolade, recht erfrischend, da leicht säuerlich. Die Krümel der schwarzen Orio-Kult-Kekse machend das ganze herrlich „crunchy“, die Beeren sorgen für eine fruchtige Komponente. Ein gelungener Dreiklang.
Am nächsten Abend beginnt das Menü mit einer Hummer Bisque, einer ausgezeichneten Suppe. Zu den herrlich festen Stücken des Krustentiers, das aus den Gewässern vor Nordkanada stammt, gesellen sich eine Gemüseeinlage und frische Kräuter. Der Fond wurde mit Brandy, Salz und Sahne verfeinert. Dazu passend ein 2015er Chardonnay aus Washington, dem US-Bundesstaat im Nordwesten der USA. Frisch, mit einer leichten Barrique-Note.
Es folgen 250 Gramm irisches Roastbeef, medium-rare und wunderbar zart. Hierbei handelt es sich um Hereford Beef aus Irland. Die Rinder werden ebenfalls von Hormonen oder Medikamenten verschont und erhalten reichlich Auslauf auf den saftigen Wiesen der „Grünen Insel“. Massentierhaltung sei in Irland nach wie vor kein Thema, so Johannes Hanspach. Die dazu gereichte grüne Pfefferkornsoße hält ebenfalls, was sie verspricht. Angenehme Schärfe, ganze Körner. Auch hier sind die Beilagen erneut gelungen. Die gebratenen Kartoffeln haben noch ihre Schale, was für einen intensiveren Geschmack sorgt. Bei dem jungen Blattspinat sind die Blätter leicht knackig und saftig. Zu diesem Gang serviert der Mitarbeiter einen süffigen roten Bordeaux, Chateau Roc de Levraut, von 2016.
Der gute Eindruck setzt sich bei dem Dessert vor, zumal auf den naheliegenden Brownie verzichtet wurde. Stattdessen Baileys Eis, wobei der Sahne-Whiskey eine feine Note entfaltet, dazu Aprikosenpüree, eher fruchtig als süß. Knusprige, in Honig karamellisierte Walnüsse runden das Ganze ab.
Den Digestif gibt es dann eine Tür weiter – in Harry´ s New York Bar. Auf der Karte steht außer dem klassischen „Manhattan“ auch ein „Mainhattan“. So ähnlich wie ein klassischer Caipirinha – nur mit Calvados und Äppelwoi. Sachsenhausen grüßt New York.