Berlin, Deutschland (Gastrosofie). Gleichermaßen für Kopf und Bauch ist das Buch „Schweizerisch kochen“ von Cristina Moles Kaupp, denn es vereint auf 206 Seiten im handlichen A5-Format „Gerichte und ihre Geschichte“. Käsefondue und Raclette, Rösti und Zürcher Geschnetzeltes sind allseits bekannt, Bircher Müsli zudem „leicht bekömmlich“. Capuns könnten noch beliebt werden. Denn es ist ein Arme-Leute-Gericht aus Graubünden und aus den letzten Resten, die das russische Heer im Oktober 1799 hinterließ, zusammengestellt sein. Wir ahnen, Mangoldblätter gehören wie Goldbarren zur Schweiz.
Die Schweiz war für die meisten Menschen ein Hindernis auf dem Weg von Nord nach Süd und umgekehrt, doch seit seligen Tunnel- und Brückenbauzeiten liegen die Berger und Täler nur noch im Abseits oft schnurgerader Strecken. Während über den Höhen der Schweiz der Wind kalt weht liegen unten die Seen still und klar. Einer davon ist der Vierwaldstätter See, um den sich die Ur-Orte Uri, Unterwalden und Schyz gruppieren. Diese drei Ur-Orte sollen 1291 die Eidgenossenschaft gegründet haben, indem sie sich innerhalb des Heiligen Römischen Reich deutscher Nation eine gewisse Selbständigkeit erkämpften. Tja. Hinzu kommen weitere, so dass von den Acht Alten Orten und später von den Dreizehn Alten Orten die Rede war. Die Verbunde von Orten wurden auch achtörtige bzw. dreizehnörtige Eidgenossenschaft genannt. Mit der Helvetischen Republik wurden aus Orten Kantone, obwohl bis heute auch die Bezeichnung Stände üblich ist. Hatten die Orte und Stände noch volle Rechte, so sind die Kantone nur noch „Verwaltungsbezirke ohne Autonomierechte“, wie es in Wikipedia heißt und weiter: „Die Grenzziehung wurde geändert, um annähernd gleich grosse Kantone zu schaffen und die alte Ordnung zu zerschlagen.“
Spätestens seit 1848 ist die Schweiz ein Bundesstaat und mit dem Industriakapitalismus ein Zentralstaat, auch wenn hier und dort von Föderalismus geschwafelt wird. Wie auch immer: Die heutige Veranstaltung unter dem Titel Schweiz besteht nach der Verfassung von 1999 aus 26 Kantonen bzw. 23 Ständen, denn sechs Kantone haben nur eine halbe Stimme im Ständerat, einer Art kleinen Kammer des Parlaments er Schweizer Eidgenossenschaft, und im Ständemehr. Doch was in diesem Beitrag politisch klingt, das wird in „Schweizerisch kochen“ unter die Tischdecke gekehrt. Auf den „Kantönligeist“ und das „Innerschweizer Klima“ mit dem auf dem Alemannischen basierenden Schweizerdeutsch in Hunderten Mundarten und somit auf verschiedenste Mentalitäten wird eingegangen. Die Alemannen übernahmen halt nach dem Ende Roms, Römer sicherten die wichtigsten Militär- und Handelsstrassen und also strategische Alpenpässe, größte Teile der heutigen Schweiz, vor allem die Zentral- und Ostschweiz., obowhl sich hier und dort noch Keltoromanen hielten.
Kommen wir zur Küche, zu der Moles-Kaupp mehr zu sagen hat. Wir lesen über Julius Maggi, der mit seinen selbst konstruierten Röst- und Mahlapparaten als gelernter Müller 1884 „die erste Fertigsuppe in Pulverform“ fabrizierte (S. 24) und über ein weiteres „Instantpulver aus Gerstenmal, Ei und Kakao“ namens Ovomaltine. Alles Essen, um in der Ökonomie der Zeit des Industriekapitalismus den Lohnarbeitern in den Fabriken mit Schichtarbeit ein schnell zubereitetes und kalorienreiches Nahrungssurrogat mit umgehender Energiezufuhr für die Handarbeit zu bieten und somit Fraß- und Fastfood. Über den Kaufmann Gottlieb Duttweiler und die soziale Idee der Migros und ihre Geschichte steht wenig aber Gutes auf den Seiten 28f. Das Kulinarische ab Seite 33 beginnt mit dem Röschtigraben, der die Deutschschweizer vom Rest und also von den Romands mundgerecht und mental trennt, hört aber bei der Schweizer Schokoladen oder dem Schweizer Käse (die Krise in der Landwirtschaft lies den Getreideanbau verfallen und übrig blieb die Vieh- und Milchwirtschaft) nicht auf.
Die Schweizer Küche lebt besonders von den deutschen Einflüssen der Berliner und Wiener Republik, aber auch aus Italien und Frankreich – „und macht daraus etwas Eigenständiges“, wie der Göttinger Verlag Die Werkstatt in seiner Buchinformation mitteilt. „Zahlreiche Rezepte (mehr als 140)“ stellt das Buch „Schweizerisch kochen“ vor und zudem typische Zutaten und Küchenbegriffe. Ärgerlicherweise werden die Rezepte nicht genug veranschaulicht, nicht bebildert. Bunte Fotos finden Leser leider nur auf acht Seiten.
Holen Sie sich das Buch aus der Edition diá und probieren Sie Älplermagrone mit Ankestückli. Doch das traditionelle Sennengericht, das von Pastagerichten, die es durch den Gotthardtunnel in die Schweiz geschafft haben, offensichtlich inspiriert wurde, bitte auch selber kochen.
Bibliographische Angaben
Cristina Moles Kaupp, Schweizerisch kochen, Aus der Reihe Gerichte und ihre Geschichte, 216 Seiten, bunte Fotos auf acht Seiten, fester Einband, Verlag: Die Werkstatt, Göttingen, 1. Auflage, 2013, ISBN: 978-3-7307-0019-8, Preis: 16,90 EUR (Deutschland)