Erlesene Weine aus dem Bordeaux – Über ein altes Weinbaugebiet, ein neues Museum und junge Winzer mit Bravour

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Berlin, Deutschland; Bordeaux, Frankreich (Gastrosofie). Dass das Weinbaugebiet Bordeaux das größte zusammenhängende Anbaugebiet der Welt ist, das ist bekannt und wird oft übersetzt mit viel Masse und wenig Klasse, die auch noch teuer ist. Wahrlich nicht alle der Weinbaubetriebe, deren Zahl in die Tausende geht, aktuell ist von rund über 7.000 die Rede, produzieren gute oder sehr gute Qualität. Und dem Nicht-Eingeweihten dürfte es schwer fallen, das System von subregionalen und kommunalen Appellationen und Klassifikationen zu verstehen, geschweige denn zu erklären.

Die Spritzen der Winzer im Weinberg alter Herren

Kritisieren so wie wir können das nur ganz wenig. Wer weist schon auf die Spritzen der Winzer hin, die auch im von Franzosen Bordelais genannten Bordeaux zum Werkzeug im Weinberg gehören? Roundup mit dem Wirkstoff Glyphosat sowie allerlei andere Herbizide werden gerne gegeben. Wer verzichtet schon auf jede zweite Reihe an Rebstöcken und setzt anschließend auf organisch-biologischen Weinbau, der bei Bodenpflege anfängt und der Artenvielfalt nicht aufhört?

Vermutlich waren deswegen außer uns keine bekannten Kenner von Weinen vor Ort, als wir auf junge Winzer trafen.

Eine neue Generation an jungen Winzern im Bordeaux

Dass sich offensichtlich längst eine neue Generation von Winzern im Weinbaugebiet Bordeaux gebildet hat, die aus den Châteaux genannten Weingütern mit auf ihren Mist und den Böden des Bordeaux gewachsenen Weinen aus dem Einerlei und Althergebrachten auf 111.000 Hektar rund um Gironde, Garonne und Dordogne herauszuragen, das wundert wenig und begann am Ende des letzten Jahrhunderts.

Von einer „aufstrebenden Generation von rund 30 jungen Winzern“ wird in einer Broschüre mit dem Titel „Die Bordeaux-Weine der nächsten Generation“ gesprochen, „die das tradierte Bild von Bordeaux verändern“.

Zwar ist das Klima für alle gleich und immer noch ausgesprochen maritim und moderat, obwohl es zur Blüte- und Erntezeit durchaus richtig und zuweilen heftig regnen kann, doch die Philosophien und der kulturellen und familiären Hintergründe sind verschieden, wovon sich Besucherinnen und Besucher auch im 2016 nach 36 Monaten Bauzeit eröffneten und futuristisch anmutenden Museum Cité du Vin in Bordeaux überzeugen können.

Das neue Museum Cité du Vin in Bordeaux

Dass es nicht nur Winzer einer neuen Generation gibt, sondern auch ein Museum, das sieht man sofort. Das Gebäude am Ufer der Garonne in einem Industriegebiet im Norden der Stadt ist ein architektonisches Ausrufezeichen, bei dem jedes Detail auf Wein deutet und das weit über die Stadt Bordeaux und das umliegende Land im Südwesten Frankreichs an der Küste des Atlantik hinaus wahrgenommen wird. Im von den Architekten Anouk Legendre und Nicolas Desmazières entworfene Museum wird unter dem höchsten Punkt des Turmes von 55 Metern auf 13.350 Quadratmetern und über zehn Etagen das kulturelle, universelle und lebendige Erbe von Winzern und Weinen der Welt im Allgemeinen und des Bordeaux im Besonderen gezeigt. Auf einer interaktiven Reise wird unter dem hölzernen Gewölbe des Torus Wissen über Wein vermittelt, das für Anfänger und Auskenner gleichermaßen ein Erlebnis ist und Jung und Alt in Erstaunen setzt.

Das Cité du Vin versteht sich nicht nur als Anziehungsort, sondern auch als Ausgangsort für Touren zu den Winzern und Weinbergen in Bordeaux. Weinflusskreuzfahrten und Ausflüge „über die Schwelle der Châteaux“ werden angeboten.

Wohlsein auf einem Winzermittagsmahl

Ich durfte mich zudem auf einem „Winzerlunch“, zu dem ich am Mittwoch, 12. Juli 2017, ins Berliner Restaurant „eins44“ eingeladen wurde, überzeugen. Die Winzer Elsa Ménard, Jean-Jacques Dubourdieu und Audrey Lauret präsentierten und ihre Weine. Die drei würden zu rund 30 jungen Winzern gehören, die laut der oben genannten handlichen A5-Borschüre „Die Bordeaux-Weine der nächsten Generation“ nicht nur „weltgewandt“ sondern „aufgeschlossen gegenüber Innovationen und neuen Techniken“ seien.

Laut Einladung wurden Weine „fernab imageprägender Rotweine“ sowie „komplizierter und verstaubter Attitüde“ eingeschenkt und ein Menue aufgetischt, das für ein übliches Mittagsmahl an der Spree äußerst beachtlich war.

Vor, während und nach Flap meap mit Sellerie und Senf süffelte ich mit Château Mémoires Bordeaux Blanc 2016 (Rebsote Sémillon), Château Reynon Bordeaux Blanc 2016 (Rebsorte Sauvignon Blanc), Châteauhaut Rian 2016 Rebsorden Sauvignon Blanc und Sémillon) und Château de Rochemorin Blanc 2012 (Sauvignon Blanc) vier Weißweine. Frische und fruchtige, vor allem trockene Weißweine werden von den jungen Winzern, die auch Bordelaiser genannt werden, produziert, wie auch erschwingliche Rotweine.

Zum Tafelspitz mit Meerrettich, Apfel und Wurzelgemüse wurden folgende vier Weine verköstigt: Château Reynon, Cadillac Côtes des Bordeaux 2015 (eine Assemblage aus Merlot, Cabernet-Sauvignon un der traditionellen Traube Petit Verdot, Appellation d’Origine Contrôlée (AOC) Cadillac Cotes de Bordeaux), Château Pindefleurs Saint-Émilion Grand Cru 2014 und 2012 (mit den Rebsorten Merlot und Cabernet Franc, Herkunft Saint-Émilion Grand Cru) und Baron Nathaniel 2012 (ein Cuvée aus den Rebsorten Cabernet Franc, Cabernet Sauvignon und Merlot, AOC Pauillac).

Zum Dessert wurde ein Crème fraîche mit Erdbeeren, Buchweizen und Crémant rosé gereicht. Zum typisch französischen Sauerrahmerzeugnis probierten wir einen Château Memoires Cadillac Côtes des Bordeaux AOC (Sémillon, Sauvignon Blanc und Muscadelle), einen Château Timberlay Prestige Cuvée Marie Paule 2010 (aus den Rebsorten Cabernet Franc und Merlot, AOX Bordeaux Supérieur) und einen Château Penin Rosé 2016 (Rebsorten Cabernet Sauvignon und Merlot, AOC Bordeaux Rosé).

Der beerige mundende Muscadelle mit seinem floralen Charakter unterstützt fabelhaft die süßen Weißwein-Cuvées. Der Sémillon hingegen veredelt wegen seine Anfälligkeit für Edelfäule nicht nur süße sondern auch halbsüße Weißweine, sogar trockene, und bereichert diese um Noten von Aprikose und Honig. Die Rebsorte Sémillon, aber auch die Rebsorten Sauvignong Blanc und Muscadelle werden besonders für die süßen Weißweine vor allem „in einem kleinen Areal im südlichen Bordeaux angebaut, wo der kühlere Nebenfluss Ciron in die Garonne mündet“. Morgendliche Nebel würden ideale Bedingungen für den Pilz Botrytis Cinerea und die durch ihn hervorgerufene Edelfäule sorgen. Trockene Weißweine werden nach wie vor im gesamten Weinbaugebiet Bordeaux erzeugt, allerdings kommt der Anteil an der Gesamproduktion nicht über 10 Prozent hinaus. Als Weißweine werden in der Regel Cuvées verkauft, in denen vor allem Sauvignon Blanc und Sémillon steckt. Doch die reinen sortenreinen Sauvignon Blanc können sich zunehmend blickenlassen.

Das Weinbaugebiet Bordeaux, das größte AOC-Weinbaugebiet in Frankreich mit 65 Appellationen, bleibt in seiner Bedeutung bei Bordeaux und Bordeaux Supérieur, die für frische und fruchtige Alltagsweine stehen, bei denen der Merlot, der bekanntlich gut auf Kieselböden gedeiht, die Vorherrschaft hält. Sie werden jung getrunken und auch die Bordeaux Supérieur kommen nach 12 Monaten Reife in den Handel.

Der Merlot dominiert auch die Côtes des Bordeaux, die auf „Berghängen“ am rechten Ufer der Garonne und der Dordogne wachsen und ihre Herkunft nicht verleugnen können. Ihr Charakter ist reich an reifen Fruchtnoten, viele schmecken Pflaume und Schwarzkirsche, Nelken- und Schokoladennoten heraus, mit geringen Gerbstoffen.

In den Weinbergen der jungen Generation würden weniger chemische Mittel eingesetzt, versichert die Winzerin Elsa Menard, als vielmehr Wert auf Nachhaltigkeit, organischer Landwirtschaft, Mischkultur und Biodiversität gelegt. Das hört man gern und ich lese, dass „über 45 Prozent der Weingüter in Bordeaux … organische, biodynamische, integrierte oder nachhaltige Weinbaubetriebe“ seien und davon die meisten Weingüter organisch und nur sehr wenige biodynamisch arbeiten würden. Der Trend geht in die richtige Richtung. Und das ist gut so.

Mehr zu den Winzern und Weinen in der Fotoreportage: Junge Winzer und Weine aus dem Bordeaux und das Museum La Cité du Vin.

Anmerkung:

Vorstehender Beitrag von Ole Bolle wurde am 21.9.2017 im WELTEXPRESS erstveröffentlicht.

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