Berlin, Deutschland (Gastrosofie). Im heutigen Reich der (West-)Franken gibt es eine Organisation, die sich Association Nationale Interprofessionnelle Caprine (ANICAP) nennt und deren Mitgliedern vor allem Ziegenmelker und Käsemacher sind. Rund 6.000 sollen es sein. Von einem „Ziegenmilchverband“ ist in einer Pressemitteilung der“ ff.k Public Relations“ genannten sowie so und nicht anders geschriebenen Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in Hamburg vom 28.5.2020 die Rede.
Dass die 1983 gegründet Interessen-, Vermarktungs- und Werbevertretung „alle Ziegenmilchbauern und Ziegenkäseproduzenten aus Frankreich“ vertrete, heißt es darin und dass dieses „Frankreich Hunderte von Ziegenkäsesorten, die für traditionelle Herstellung und authentischen Geschmack“ stünden, zähle.
„Schaun mer mal, dann sehn mer scho“, dachten wir uns und sahen zwar eine Rolle und ein paar Rundungen kleiner und kleinster Käselaibchen, sogar etwas Zylindrisches, aber wenn man nur eine Hand voll sowohl kostloser als auch köstlicher Proben für die Presse erhält, dann kann man nicht mehr erwarten, erblicken, erfahren und erkennen. Wie gerne würden wir auf unendlichen eckigen Formen, Gupfelformen, konischen Formen und Käsereifen, zylindrischen Formen und allerlei Sonderformen blicken und erst die Farben?! Und vor allem: wie gerne würden wir in die vielen, sehr vielen Käse beißen?!
Bei einer Hand voll Ziegenkäse aus Franzien werden wir uns kein Urteil über die ANICAP erlauben, vor allem nicht ohne lebensmitteltechnischer Überprüfung, doch die gesandten Sorten, sechs an der Zahl, gefielen uns gut.
Vier waren mit einer feinen Edelschimmelrinde überzogen und einer mit Pflanzenkohle bestäubt. Dass es in unserer Redaktionsküche herrlich nach Schimmel und hergestelltem Ziegenkäse duftete, das darf sich jeder denken. Und erst die famosen und vielfältigen Geschmacksrichtungen dieser Delikatesse! Fein, aromatisch, würzig. Wunderbar! Dass der Geschmack mit dem Alter immer intensiver wird, das wissen wir und Sie. Würden wir nicht alle gerne verschiedene Generationen einer Sorte in Augenschein nehmen, riechen und schmecken?
Alle sechs sind mit dem AOP-Siegel versehen. AOP steht für „Appelation d´Origine Protégée“ und bedeutet „Geschützte Ursprungsbezeichnung“, doch das alte AOC-Siegel (Appellation d’origine controlée) war gut genug. Die Ziegenkäse
- Banon
- Chabichou du Poitou
- Charolais
- Chevrotin
- Chavignol
- Mâconnais
- Pélardon
- Picodon
- Pouligny Saint-Pierre
- Rigotte de Condrieu
- Sainte Maure de Touraine
- Selles-sur-Cher
- Rocamadour
- Valençay
sind allesamt AOP-Siegel-Sorten. Der Cabri frais nature ist ein mild-säuerlicher Frischkäse aus der Bourgogne, der sogar mit einem grünen Blatt versehen war.
Der Chabi, abgeleitet vom arabischen Wort für Ziege, ist ein Weichkäse aus der Region Poitou-Charentes, Provinz Vienne. Er weist eine sortentypische zarte, weißliche bis bläuliche Schimmelbildung auf. Wie alle gekosteten Käse beträgt auch bei ihm das Fett in der Trockenmasse 45 Prozent. Allergene? Keine! Er, der von Kenner und Kritikern Chabichou du Poitou genannt wird, schmeckt sehr wohl säuerlich bis nussig, doch ist diese Sorte, die ohne Erhitzen oder Pressen aus Ziegenmilch, die mit Lab versetzt wird, hergestellt wird, beim Geschmack wirklich sehr vom Reifegrad abhängig. Die Ziegen fressen das Grün in der Regeln von sehr kalkhaltigen Böden. Und wie man das schmeckt! Fünf Wochen Reifezeit sind für einen kräfitgen Geschmack zu wenig. Selbstverständlich nimmt auch seine Textur mit zunehmender Reife zu. Er kann durchaus bröckelig werden. Und das ist gut so!
Fünf Wochen ist auch der Sainte Maure, ein Weichkäse aus der Provinz Indre-et-Loire, gereift. Nach Haselnuss, etwas erdig, sogar säuerlich mundet die laktosefreie Rolle, in der Ziegenmilch, Salz, Lab, Fermente, Lab und pflanzliche Kohle stecken solle.
Gelungen ist auch der halbfeste Schnittkäseaus dem Département Aveyron. Tomme de Chèvre wird dieser zwei Monate gereifte und nussig, ja, sogar karamellartig schmeckende Ziegenkäse genannt, der ebenfalls laktosefrei sei.
Nicht laktosefrei, aber mit pflanzlicher Kohle ist der Selles sur Cher aus – richtig – der Provinz Chèr. Nach bis zu vier Wochen Reife mundet er meist leicht säuerlich, sogar nach Haselnüssen.
So und nicht viel anders schmeckt auch der Crottin de Chavignol, der ebenfalls aus der Provinz Chèr stammen solle, bis zu sechs Wochen Reifezeit benötige und dessen Schimmelbildung als sortentypisch beschrieben wird.
Den Öffentlichkeitsarbeitern aus Hamburg sei Dank für die genannten Ziegenkäse aus Frankreich. Jetzt wollen wir gerne die ganze Käsepalette kennenlernen und vor Ort recherchieren und also Käsereien, die allesamt „für traditionelle Herstellung“ stehen würden, besuchen. Wer will das nicht?!
Vielleicht statten wir auch der einen oder anderen Ziege einen Besuch ab. 1,3 Millionen wiederkäuende Hornträger sollen im (West-)Frankenreich leben.