Berlin, Deutschland (Gastrosofie). Geschmacksverstärker? Im Palazzo? Hat man das hier neuerdings nötig? Aber sicher. Zum Glück nicht in der Küche, sondern auf der Bühne. Dort spielt eine Band mit dem hochinteressanten Namen „The Geschmacksverstärkers“. Die Musiker begleiten eine stimmgewaltige Sängerin. Katharina Münz interpretiert altbewährte Song von REM und weiteren Größen neu. Sehr rockig, sehr erfrischend.
Das tut gut in einer Geistervilla. Spukt es doch kräftig im Spiegelzelt in diesem Jahr. Vergangenheit verschmilzt mit der Gegenwart. Und verblichene Promis lassen es so richtig krachen. Die Gastgeber, Top-Gastronom Hans Peter Wodarz und Spitzenkoch Kolja Kleeberg, haben zu einer Geisterstunde eingeladen. „Ghosts & Ducks“ lautet der Titel der neuen Palazzo-Show unter der Regie von Maximilian Rambaek. Gruselig? Nicht unbedingt. Eher unterhaltsam, schräg und ziemlich witzig. Einfach köstlich, im wahrsten Sinne des Wortes. Warten auf die Gäste doch erneut ein hervorragendes Menü und eine grandiose artistische Show. Sowie reichlich Humor.
Den braucht man auch, wenn man die Schwelle vom Leben in die Ewigkeit überschreiten will. Ein Autounfall, ein Selfie beim Fall vom Berliner Fernsehturm, schon ist es passiert. Doch zuvor muss erst die eine oder andere Herausforderung gemeistert und alter Ballast abgeworfen werden. Comedian Sebastian Matt, als Hausherr der „Villa“, wie sein allmächtiger Chef sie nennt, kümmert sich um die recht exzentrischen Transit-Gäste. Manchmal vergebens „Du stehst nicht auf der Gästeliste“, gibt er so einer armen Seele zu verstehen. Die Tür ins Paradies ist manchmal noch härter als die Tür ins Berghain.
Da muss man schon so manche Verrenkung machen. So wie Zinzi und Evertjan mit ihrem fulminanten Hand-auf-Hand-Act. Zu lange sind die beiden ein Paar, das Feuer muss neu entfacht werden. Nun bewegen sie sich zwischen Nähe und Distanz, zwischen Lust und Frust, zwischen Leben und Tod. Ebenfalls sehr flexibel zeigt sich Jarred. Eine männliche Diva im knallroten Gewand, die auch hoch am Trapez nicht auf ihre ebenso knallroten Pumps verzichten kann.
Anna trägt lieber schwarz. Physisch wie emotional eher der distanzierte Typ, erwacht sie erst an der Tuchschlaufe so richtig zum Leben. Und präsentiert einen grandiose Nummer unter dem Zeltdach. Pablo ist das genaue Gegenteil: Der liebenswürdige Barkeeper ist allen und jedem zugetan. Er versprüht seinen südamerikanischen Charme, wo er nur kann. Als „Alchemist des Hochprozentigen“ versteht er sich nicht nur perfekt auf den Umgang mit Flaschen, sondern lässt als versierter Jongleur auch noch manch andere Gegenstände durch die Luft tanzen. Dina Sok tanzt ebenfalls. Bewegt sich dabei zwischen Dies- und Jenseits, zwischen Licht und Schatten. Mit einem atemberaubenden Drahtseilakt.
Die ältere Dame mit dem Hut hält sich mit waghalsigen Bewegungen lieber zurück. Dafür winkt sie umso huldvoller. Ist es die unlängst verblichene Queen höchstpersönlich? Wie auch immer, sie braucht nicht an die Himmelspforte zu klopfen, das hat sie nicht mehr nötig. So wie die hungrigen Gäste im Zelt. „Wenn Ihr nicht in den Himmel kommt, dann kommt der Himmel eben zu Euch“, so die frohe Botschaft von Sebastian Matt. Kein leeres Versprechen. Denn schon bringen die Servicekräfte den Hauptgang. Confierte Entenkeule mit Orange, Gemüseragout, und Kartoffelgratin. Ein Klassiker, kreativ zubereitet von Kolja Kleeberg und seinem Team. Die Ente ist knusprig, das Gemüse knackig. Kandierte Oliven verleihen dem ganzen etwas Mediterranes. Schließlich ist Spanien das Thema des diesjährigen Menüs. Die Idee sei ihm anlässlich des 50. Todestags von Pablo Picasso gekommen, verrät Kolja Kleeberg nach der Show. Zudem kann ja ein wenig Sonne und Wärme zu dieser Jahreszeit nicht schaden.
Zur Ente ein passender Rotwein aus Frankreich. Syrah, „Jaja de Jau“, von 2022, vom Weingut „Chateau de Jau“. Kraftvoll, vollmundig, zugleich harmonisch. Mit Aromen von roten Beeren, feiner Lakritz und Veilchen. Im Finale machen sich feine mineralische Noten bemerkbar.
Einfach himmlisch auch die weiteren Gänge. Spanischer Kartoffelsalat mit zweierlei Mojo, gratiniertem Ziegenkäse, confierter Tomate und schwarzen Oliven. Gebackene Kapernäpfeln runden das Ganze ab. Wirklich außergewöhnlich, eine tolle Idee. Und hervorragend umgesetzt, wie die gelungene Komposition verschiedenster Aromen beweist. Nicht von der Stange ist auch die „Crema de Maíz“. Die beste Suppe aller Zeiten, wie Kolja Kleeberg verspricht. Wie auch immer, einem entsprechenden Wettbewerb könnte sich die würzig-süße Maiscremesuppe mit marinierten Tomaten und Knuspermais sicherlich getrost stellen.
Zu beiden Gerichten ein Weißwein. Unter anderem ein Pfälzer vom Weingut Lukas Kesselring. „Heimspiel“, so der originelle Name. „Aus einem Guss“, verspricht das Etikett weiter. Hier wurde cremiger Weißburgunder mit aromastarkem Cabernet Blanc vermählt. Das führt zu einer herrlichen Frische mit Noten von diversen gelben Früchten, Cassis und einem Hauch von frischem Gras. Als zweiter Wein ein Chardonnay „Growling Frog“ von 2022. Aus Australien, vom Weingut „Scotts Creek“. Froschig-frisch. Mit Aromen von Pfirsich, tropischen Früchten und etwas Vanille.
Hervorragend auch das Dessert. Mandelkuchen mit Pralineneis und weißer Schokolade. Der Kuchen ist herrlich saftig und nicht zu süß geraten. Insgesamt ein wirklich gelungenes Menü. Garantiert ganz ohne Geschmacksverstärker.
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