Joyeuse, Département Ardèche, Frankreich (Gastrosofie). Die Ardèche beziehungsweise das französische Département Ardèche besteht nicht nur aus Kanufahren und Paddeln, sondern auch aus Land und Leuten, die uralte Kulturlandschaften erhalten und für Gourmand- und Gourmetfreuden sorgen. Vorzügliches Essen und beste Weine, in der Ardèche mit dem gleichnamigen Fluss, der auf seinen 125 Kilometern durch die eindrucksvollen Schluchten Gorges de l’Ardèche und durch das Département Gard fließt, können Gastrosofen speisen wie Gott in Frankreich.
„Herausragend“ sei, so Dr. Bernd Holstiege in seinem Reisebericht „Düfte und Geschmack des Südens – Serie: Eine Motorradreise durch das Département Ardèche“ im WELTEXPRESS (29.8.2010), „die Spezialität der Esskastanien in den verschiedensten Formen, hervorragende Weine, Dörfer mit Charme und Charakter, eine romantische Landschaft mit Esskastanien- und Olivenwäldern, Weinberge, blaue Lavendelfelder und roten Klatschmohn, hoch aufragende weiße Felsen an den Flüssen und speziell für Motorrad- und Radfahrer Kurven über Kurven.
Vor allem am Oberlauf der Ardèche wachsen Kastanienbäume. Ihnen ist das Musée de la Châtaigneraie gewidmet. Das Kastanienmuseum befindet sich in einem alten Klostergebäude aus dem 17. Jahrhundert, das mitten in der malerischen Altstadt von Joyeuse liegt.
Holstiege berichtet von einer Führung mit Ulla Falke, einer Deutschen, die dort seit über 40 Jahren lebt: „Frau Falke klärte uns über die Geschichte der Kastanie auf, in der die Kastanie der „Brotbaum“ in den Cevennen war, und führte uns Werkzeuge und Apparate vor, die alle aus Kastanienholz bestehen und mit denen die Kastanie be- und verarbeitet wurde. Auch Möbel wurden daraus gefertigt. Am eindrücklichsten sind mir noch ein Schrank in Erinnerung, hinten der fast unbearbeitete Stamm, vorne kunstvoll Türen und Fächer eingebaut, und Geräte zum Schälen der gerösteten Edelkastanien, wie Keulen aussehend, gleichend den früheren Kriegskeulen, und mit Nägeln bewehrte schwere Holzschuhe. Mit diesen Geräten war die Ausbeute am Inhalt der Eßkastanie naturgemäß sehr gering und stände heute in keinem Preis-Leistungs-Verhältnis. Später wurden die Maschinen immer aufwändiger und komplizierter, etwa die Maschine von Marius Monnier (1928), die schälen, sortieren und abwiegen in einem Arbeitgang kann. Diese Geräte sind alle dort zu sehen.
Weiterhin schilderte sie uns den verwirrenden Sprachgebrauch rund um die Kastanie. Im Deutschen nennen wir die Esskastanie Marone, im französischen heißt sie Chataigne und die Rosskastanie dagegen Marone. Es gibt weit über zweihundert veredelte Esskastaniensorten, davon 65 an der Ardèche, bei ihnen hängt deren Fleischkörper zusammen, während der der unveredelten in Teile zerfällt. Der Stamm der veredelten Kastanie neigt zur Aushöhlung, während der der unveredelten massiv bleibt. Sie schilderte uns die vielfältige Nutzung des „Brotbaums“, ob als Suppe, Ragout, Püree, Gratin, Konfitüre, als Bierzutat, Kuchen oder Pudding, ob geröstet oder gekocht – die Kastanie ist aus der lokalen Küche nicht fort zu denken.
In einer kleinen Boutique in der Vorhalle können wir Produkte der Erzeuger und Kunsthandwerker in phantasievoller Verarbeitung von Früchten und Holz erwerben wie z.B. kleine und grosse Skulpturen aus Kastanienholz, Gemälde, Keramik oder Töpferei, einfach alles was eine Beziehung zur Edelkastanie hat. Weiterhin hält der Museums-Shop eine Vielzahl von Kastanienerzeugnissen für die Besucher bereit, die alle naturbelassen sind wie Honigkuchen, Kastanienhonig, Kuchen und Plätzchen mit Kastanienmehl, Kastanienlikör, Fleischpastete mit Edelkastanien, Kastanienmarmelade natur oder mit Schokolade oder Apfel. Zum Schluss konnten wir noch ein Maronenbier und einen Maronenlikör kosten.
Mehr als 1000 Jahre war die Kastanie ein Grundnahrungsmittel, das ähnlich wie die Kartoffel als eine „Arme-Leute“-Nahrung galt, jedoch gegen Ende des 18. Jahrhunderts an Wert verlor, da Maulbeerbäume zur lukrativen Seidenzucht angepflanzt wurden und die Kastanie verdrängten. Jetzt konnte man nämlich Getreide als Nahrungsmittel einkaufen. Als entdeckt wurde, dass die Kastanie sehr viel Tannin enthält, das zur Färbung der Seide und als Gerbstoff für Leder benutzt wird, wurden ganze Wälder abgeholzt und neben den Schädlingen wie der Tintenkrankheit, die durch einen Pilz die Wurzeln zerstört, und beinahe der Kastanie der Garaus bereitet. Es wurde rentabler, die Bäume zur Gewinnung von Tannin zu fällen, als sie zu kultivieren und ihre Früchte zu ernten. Erst nach der Entdeckung des künstlichen Tannins konnten die Wälder wieder wachsen.
Die Kastanienbäume wachsen auf den „Faysses“, den uralten Terrassen im Parc Naturel Régional des Monts d’Ardèche, und bis heute werden in der Ardèche mit 6.000 Tonnen jährlich die meisten Esskastanien Frankreichs geerntet. Zur Blütezeit um 1860 dehnte sich die Kastanienproduktion auf 60.000 Hektar aus, heute werden noch 34.000 Hektar von tausend Kastanienbauern bewirtschaftet. Richtig salonfähig wurde sie aber erst als kandidierte Marone. 1882 industrialisierte Clément Faugier aus der Ardèche die Erzeugung der kandierten Maronen, an denen man sich bereits unter Ludwig XIV. ergötzte. Diese Industrialisierung brachte die Güte- und Herkunftssiegel mit sich. Die Häuser Faugier in Privas, Sabaton in Labégude und Imbert in Aubenas bereiten bis heute die vornehme Nascherei zu, die heute zu den beliebtesten Süßigkeiten in der Weihnachtszeit gehört.
Die Ardècheregion ist der Hauptproduzent von Edelkastanien in Europa. Leider sind wir für die „Castanades“, die weltberühmten Kastanienfeste, wo die Gemeinden mit traditionellen Tänzen und Musik die Kastanie feiern, und Produzenten, Künstler und Kunsthandwerker zu treffen sind, und der süße Duft der Kastanie die Täler durchweht, ein paar Monate zu früh.“
Mit oder ohne Ulla Falke, auf rund 400 m² Ausstellungsfläche wird Wissenswerte über die in der Ardèche typische Kultur der Edelkastanie beziehungsweise Esskastanie vermittelt. Von einer Obstkultur wird in Bezug auf diese Kastanie gesprochen und Einblicke in die Überlieferungen vom Leben in den Cevennen rund um den „Brotbaum“ geboten. Das Museum verfügt über eine einmalige Sammlung von Gerätschaften verschiedener Epochen und lässt Besucher die Arbeit von damals bis heute nachvollziehen: von der Pflege der Bäume im Vorjahr, dem Sammeln der Früchte im Herbst bis zum Trocknen und Schälen im Winter. Das Holz der Edelkastanie, seinen Gebrauch und seine besonderen Eigenschaften können Besucher anhand zahlreicher Gegenstände und Möblstücke kennenlernen.
Auch heute stellt die Edelkastanie noch einen nicht unwesentlichen Wirtschaftsfaktor dar, und nirgendwo in Frankreich wird so viel produziert wie im Département Ardèche. Kastanienprodukte aus der Gegend gibt es im Laden des
Musée de la Châtaigneraie
Adresse: Parvis de, L’Église, 07260 Joyeuse, Frankreich
Kontakt: Telefon: 0033 4 75 39 90 66, E-Mail: contact@castanea-ardeche.com
Heimatseite im Weltnetz: http://www.castanea-ardeche.com
Öffnungszeiten: Von Anfang Mai bis Ende August ist in der Regel von 14 Uhr bis 18 Uhr geöffnet.
Eintritt: Erwachsene zahlen aktuell 6,50 Euro, Jugendliche zwischen 11 Jahre und 17 Jahre 5 Euro und Kinder zwischen 6 Jahre und 10 Jahre 3 Euro.