Berlin, Deutschland (Gastrosofie). Endlich. Der Gender-Wahn hat den Palazzo erreicht. Das wird schon bei der Begrüßung deutlich. Ladies and Gentlemen, liebe KinderInnen. So lässt es, politisch korrekt, „Herr Kasimir“ verlauten. Hinter dem Witzbold mit dem ulkigen Hut und der roten Blume am Revers verbirgt sich Comedian Aaron Dewitz. Eine lustige Begrüßung, die Kleinen hätten es bestimmt zu würdigen gewusst. Leider ist ihre Anzahl, zumindest an diesem Abend, ziemlich übersichtlich. Dabei hätten sie sicherlich jede Mange Spaß gehabt. Und ein leckeres Menü.
Erneut laden die Gastgeber, die beiden Top-Gastronomen Kolja Kleeberg und Hans-Peter Wodarz, im Palazzo zu ihrer Dinner-Show ein. Erneut ein ausgelassenes Fest für alle Sinne. Im festlichen Spiegelzelt, nahe dem „Bahnhof Zoo“ in Berlin. Bei „Unikate“, nach einer Idee und unter der Regie von Karl-Heinz Helmschrot, ist der Name Programm. Eine explosive Mischung voller Kontraste und unterschiedlicher Charaktere, voller Spannungen und Gegensätze. Aber immer mit echten Meistern ihres Fachs, die ihre Passion zur Profession gemacht haben. Ein breites Spektrum aus moderner atemberaubender Akrobatik, vollendeter Körperkunst, unverwechselbarer Comedy, einer großartigen Live-Band und mitreißender Musik. Von sensibel bis extravagant, von eigenwillig bis urkomisch.
An „Unikaten“ mangelt es dieser Show in der Tat nicht: Gastgeber und Comedian Daniel Reinsberg führt nicht nur durch den Abend. Feinsinnig, witzig und mehrstimmig unterhält er das Publikum. Und zwar buchstäblich aus dem Bauch heraus. Als Bauchredner. Sorgt dabei für viele Lacher und, ganz nebenbei, für die ein oder andere Überraschung. Mit Aaron Dewitz aka Herr Kasimir steht ihm ein Comedian zur Seite – und manchmal auch im Weg. Schier grenzenlose Energie paart sich mit ansteckendem Humor. Und dann die unverwechselbare Mimik! Mit der präsentiert er seine clownesken Parodien. Haucht Objekten Leben ein. Tanzt mit sich um die Wette. Jonglieren kann er auch noch, und wie.
Die chinesische Artistin Junru Wang ist ebenfalls ein echtes Unikat. Sie begeistert mit ihrem gleichermaßen einmaligen wie eigenwilligen Handstand-Act. Der lässt einen fast vergessen, dass es so etwas wie Schwerkraft gibt. Diese Nummer setzt absolute Konzentration, Körperbeherrschung und Kraft voraus. All das benötigt auch das US-amerikanisch-kanadische Duo „Vol au Vent“. Die zwei jungen Frauen wollen hoch hinaus, was ihnen mit Hilfe ihres Schleuderbretts auch mühelos gelingt. Gegenseitig katapultieren sie sich bis hoch in die Kuppel des Spiegelpalastes, drehen sich um die eigene Achse und vollführen Saltos. Eine spektakuläre Darbietung, die sich durch Präzision sowie Leichtigkeit auszeichnet – hier und da versehen mit einer Prise Humor.
Anmutig geht es bei Bekah Burke zu. Ihr Körper und der Luftring verschmelzen in schwindelerregender Höhe zu einer untrennbaren Einheit. Selbst während blitzschneller Drehungen weiß sich die energiegeladene US-Amerikanerin am Luftring elegant, grazil und zugleich kraftvoll zu bewegen. Für positive Schwingungen im Spiegelpalast sorgt auch Anna Fisher mit ihrer kraftvollen, frechen und modernen Hula-Hoop-Performance. Bei der lässt die gebürtige Australierin in atemberaubendem Tempo die bunten Ringe kreisen.
Alles Unikate. Doch was ist mit eineiigen Zwillingen? Diese Frage lässt sich bei Roman und Slava ganz einfach beantworten: Die beiden Ukrainer sind immer zur Stelle, wenn man sie braucht und so etwas wie die gute Seele der Show. So schnell bringt die beiden Brüder nichts aus dem Takt, beherrschen sie den Steptanz doch in absoluter Perfektion. Mit präzise aufeinander abgestimmten Bewegungen, mit einer unglaublichen Mimik. Und einer so liebenswerten Ausstrahlung, dass man sie sofort ins Herz schließt. Die perfekte musikalische Begleitung kommt von Lisa Marie Neumann und der Band „The Geschmacksverstärkers“. Die Sängerin ist für ihre fabelhaft warme und kraftvolle wie auch fragile Stimme bekannt, die Band für ihre ansteckende Spielfreude und eine grandiose Songauswahl. So wird manch bekannter Titel zu einem neuen mitreißenden, ja, Unikat.
Genuss pur. Für Augen und Ohren. Und für den Gaumen. Kolja Kleeberg lädt mit seinem Menü zu einer Reise durch Italien ein. Das Land ist für seine kulinarische Vielfalt bekannt. Jede Region hat ihre ganz eigene Küche. So ist jeder Gang, gemäß dem Motto der Show, ebenfalls ein Unikat. So wie das „Risotto“ aus Fregola Sarda. Mit Spinat, Orange und sautierten Garnelen in Krustentierschaum. Dieses Risotto stammt nicht etwa aus dem Nordwesten des Landes, sondern aus Sardinien. Wurde es doch nicht aus Reis, sondern aus kleinen Pasta-Kugeln hergestellt. Die „Fregola Sarda“ sind eine Spezialität der Insel. Ein wunderbar leichter Gang, dem Garnele und Schaum eine maritime Note verleihen.
Sehr bekömmlich auch die Vorspeise, ein Linsen-Brotsalat. Klingt erstmal etwas trocken, ist aber herrlich saftig. Dank confierter Tomate, frischen Kräutern und marinierten Austernpilzen. Ebenso gelungen das Dessert. Tiramisu „Palazzo“. Das klingt recht mächtig, doch hier liegt dieses als Kalorienbombe verschriene Dessert rekordverdächtig leicht im Magen. So wie die Senf-Erdbeeren und das Mascarpone-Eis als Begleitung.
Höhepunkt ist, wie so oft, der Hauptgang. Confierte Entenkeule. Auch das wirkt auf den ersten Blick sehr mächtig. Bedeutet „Confieren“ doch bei Fleisch: im eigenen Fett garen, manchmal mehrere Stunden lang. Doch es kann entwarnt werden. Hier dominiert das Fett nicht, sondern verstärkt lediglich den köstlichen Eigengeschmack. Fleisch wie Haut wurden zudem vollendet auf den Punkt gegart. Polenta-Taler und schonend zubereitetes Wurzelgemüse bilden dazu passende Beilagen. Eine gekochte Feige verleiht dem Ganzen eine besondere Note. Eine tolle Idee!
War das ein gelungener Abend? Bitte klatschen, gerne auch trampeln. Oder vor Begeisterung die Kinder in das Rondell werfen. Das jedoch ist nicht in Ordnung, das geht wirklich zu weit. Schließlich heißt es „KinderInnen“.
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