Västervik, Schweden (Gastrosofie). Aalglatt winden sie sich auf dem glitschigen Boden. Gerade befreit aus dem Gefängnis ihrer Reusenkammer, suchen sie in bizarren Windungen und ruckartigen Krümmungen ihr Heil in der Flucht. Doch ihr zappelnder Aktionismus endet stets neu an den hölzernen Seitenplanken des kleinen Fischerbootes, das sich für die fünf armdicken Aale sogleich als ein neues Gefängnis erweist. So mögen sie sich auch für eine Zeitlang mit der abweisenden Glätte ihres schlangengleichen Körpers jedem direkten Zugriff entziehen. Schließlich landen sie doch allesamt in einer mit Meerwasser gefüllten Tonne, in der sie nun ihrem Schicksal als Leckerbissen auf Feinschmecker-Tellern entgegen dämmern.
Bootsführer Tomas Liew ist einer der letzten Fischer im Labyrinth des Schärengartens von Västervik. Hier in der kargen Felslandschaft der historischen Provinz Smaland, die einst von den Eismassen der Eiszeit glatt gehobelt wurde bis auf den Grund. Mit einer Intensität, durch die die unzähligen Felsbuckel der kleinen Schäreninseln noch heute kaum die Wasseroberfläche erreichen. In diesem beliebten Tummelplatz von Hering, Scholle und Aal bedarf der erfolgreiche Umgang mit Netz und Reuse einer großen Fingerfertigkeit, über die Tomas zweifellos verfügt. Es ist ein Vergnügen, ihm in seiner sperrigen Ölkleidung zuzuschauen oder beim Einholen der Netze selber mit Hand anzulegen. Stets in der Ungewissheit eines Lotteriespiels, bei dem niemand an Bord genau vorauszusagen weiß, ob ihn im nächsten Augenblick ein Hauptgewinn oder lediglich eine Niete erwartet.
Tücken der Schärenfischerei
Drei Feinde der Schärenfischerei zählt Tomas augenzwinkernd auf: die gefräßigen Kormorane, die räuberischen Seehunde und als Hauptfeind die theorielastige Bürokratie in Stockholm und Brüssel, die mit immer neuen Vorschriften und Gesetzen störend in die bewährten Arbeitsabläufe eingreift. In absehbarer Zeit, so Tomas, wird es hier wohl niemand mehr geben, der diese harte Arbeit bei Wind und Wetter noch ausüben will. Die Zahlen sprechen für sich. Denn von den einst zwanzig Fischern in der Umgebung seiner kleinen Schäreninsel Sladö gibt es gegenwärtig nur noch sechs.
Dabei ist Tomas nicht einmal einer der alten Hasen in diesem Handwerk. Früher, so berichtet er nicht ohne Stolz, war er als Rot-Kreuz-Manager unterwegs in den Krisengebieten Afrikas und Asiens. Doch dann sei er mit seiner Frau Carina in deren einstige Heimat zurück gezogen, wo ihm sein Schwiegervater die Schärenfischerei von der Pike auf beibrachte. Täglichen Beistand erfährt er nun von seiner aufgeweckten und drahtigen Hündin Sissi, die das Geschehen an Bord des kleinen Holzbootes für alle Anwesenden allein durch ihre muntere und einfühlsame Präsenz bereichert.