Die Berliner Kneipe: Vogt`s Bier-Express am Mehringdamm

Ein Blick auf die Berliner Kneipe "Vogt`s Bier-Express". Quelle: www.vogts-bierexpress.de

Berlin, Deutschland (Gastrosofie). Prost! Und willkommen in Vogt`s Bier-Express. Das ist: die Berliner Kneipe. Und die finden Freude des Genussmittels aus der Gärung von Malz, das vorher Gerste war, weswegen Kenner des Gerstensaftes den Bier-Express schätzen, im alten Telefunken-Haus mitten am Mehringdamm 32/34. Die große Straße mit U-Bahn unten, mehreren Spuren für den fahrenden Verkehr und breiten Fußwegen wurde nach dem Politiker und Publizisten Franz Mehring benannt, der die rechte SPD von heute vermutlich so sehr verachten würde, wie er es mit der SPD zur Zeit der Kriegsanleihen und der dazu gehörigen Kriegspropaganda, damit Deutsche ihrem Kaiser Kredit zur Führung des ersten Weltkriegs gaben, tat.

Dieser zugleich letzte Kaiser, der aus dem Adels-Haus der Hohenzollern stammte und zugleich den Titel König von Preußen trug, hieß mit vollem Namen Friedrich Wilhelm Viktor Albert von Preußen, besser bekannt als Wilhelm II. Dieser Kaiser Wilhelm war es, der zwei rivalisierende Gruppen deutscher Techniker der drahtlosen Nachrichtenübermittlung zur Gründung eines Unternehmens drängte. Gesagt, getan. Nach zuvor vielen Patenten zweier Unternehmen wurden die Kräfte gebündelt und 1903 das eine Unternehmen mit Volksmundnamen Telefunken angemeldet, das ein nicht unbedeutender Teil Berliner und Deutscher Technik-, Unternehmens- und Kriegsgeschichte wurde. Das als Gesellschaft für drahtlose Telegraphie m.b.H., System Telefunken gestarteten Unternehmens, das erst über halb Berlin und später über halb Deutschland verstreut war, zog nach dem zweiten Weltkrieg sogar mit seinem Hauptsitz in das unternehmenseigene Telefunken-Haus ein, aber nur für kurze Zeit.

Das alte Telefunken-Haus ist heute ein Baudenkmal und Geschäftshaus mit Kult-Imbiss und Kult-Kneipe. Auf der einen Seite residiert im Erdgeschoss das Curry 36, auf der anderen Seite Vogt`s Bier-Express, der seinen Namen von einer alten Gastronomenfamilie hat. Was früher der Vater war, das ist heute die Tochter. Regina Vogt ist nicht nur Kiez- sondern Berliner und Branchen weit bekannt. Als Kult-Wirtin schwingt sie im Bier-Express“ das Zepter. „Diese Berliner Kneipe öffnete nach dem Krieg“, erklärt die resolute Chefin, ordert eine Runde für uns und ergänzt „und besteht hier bis heute.“ Fast 40 Jahre Familientradition stecken in dieser klassischen Kneipe, welche Familie Vogt, die 1980 zurück nach Berlin kam, von den Lewandowski-Brüdern übernahm.

Die Kneipe ist immer noch die alte, aber das Publikum habe sich im Laufe der Jahrzehnte gewandelt. Saßen früher „70 Prozent Stammgäste und 30 Prozent Laufkundschaft“ im Lokal, erinnert sich Regina Vogt, so kommen heute „rund 30 Prozent Stammgäste und 70 Prozent Laufkundschaft“. „Wenn die Leute kamen und merkten, dass ich eine Kleinigkeit im Laden änderte, dann wurde das bemerkt. Und das Stammpublikum merkt sowas sofort.“ Deswegen ist vieles noch so wie immer.

Im Laufe der Jahre sei das Publikum und das Angebot allerdings bunter geworden. Erst kam ein Fernseher für Fußball in die gute Stube, „dann drei und seit der Weltmeisterschaft der Fußballer in Deutschland haben wir einen Beamer“, freut sich Vogt und im Hintergrund läuft eine Champions-League-Begegnung.

Die Kellnerin läuft auch und bringt noch eine Runde. Berliner Kindl ist mit einem Jubiläums-Pilsner dabei, Bitburger, Beck`s und Schneider Weizen sowie Duckstein kommen vom Fass. Zudem fließt echte Berliner Fassbrause aus dem Hahn.

Wer will, dem wird ein Flaschenbier gereicht. Sogar Berliner Weiße – rot, wie die Stadt an der Spree, oder grün, wie der Kiez – wird serviert. Mitunter wird die Weiße klassisch mit Kümmel oder Korn, also Klarem, getrunken. Früher tranken die Berliner die Weiße so und nicht anders, denn der Schuss Sirup, also knallige Farbe und süßer Geschmack, war beim säuerlichen Bier in den unzähligen Berliner Weißbierlokalen noch nicht bekannt.

Mittlerweile kommt auch Hand-Craft mit Berliner Liebe in Berliner Schnauzen. Das Craft-Bier der Marke Brlo ist lecker. Brlo ist übrigens der alt-slawischen Ursprungsname für Berlin. Wer hätte das gewusst? Auch die Privatbrauerei Rollberg liefert bestes Bier.

Wer vorher bei Mustafa einen Döner bestellte oder bei Curry 36 einkaufte, der darf seine Speisen mit in Vogt`s Bier-Express bringen. Mit dem Bier im Glas wird für das Essen sogar ein Teller gebracht. Toll. Wo gibt es das noch? „Essen gab es auch Anfang März 2016“, erzählt Regina Vogt: „vom Bruder“, fügt sie schelmisch an. Richtig, Matthias Buchholz, der einst im Gourmet-Restaurant First Floor im Hotel Palace einen Stern und weitere Auszeichnungen wie Berliner Meisterkoch, zwei Varta-Kochmützen und 18 von 20 Gault-Millau-Punkte erarbeitete und seit 2011 in seinem ersten eigenen Restaurant Buchholz Gutshof Britz Herr im Haus ist, „kochte im Rahmen unserer Bierissage ein Menü mit Bierbegleitung“. Der Star-Koch und die Kult-Wirtin kümmerten sich bei der Feinschmecker-Veranstaltung „Eat Berlin“ derart liebevoll um ihre Gäste, dass diese Vogt`s Bier-Express zum Preisträger des Besten Events 2016 kürten. Gratulation!

Genug geschrieben: Nix wie hin auf einen Gerstensaft in Vogt`s Bier-Express am Mehringdamm. Und dann Prost!

Vogt`s Bier-Express

Mehringdamm 32/34, 10961 Berlin, Telefon: 030 – 251 25 29, E-Mail: info@vogts-bierexpress.de, Web: http://www.vogts-bierexpress.de

Öffnungszeiten: täglich von 10 Uhr morgens bis 2 Uhr in der Nacht

Anmerkung:

Vorstehender Beitrag von Ole Bolle wurde im WELTEXPRESS am 21.7.2016 erstveröffentlicht.

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